Cover Moscow

Album info

Album-Release:
2014

HRA-Release:
25.02.2014

Album including Album cover Booklet (PDF)

?

Formats & Prices

FormatPriceIn CartBuy
FLAC 44.1 $ 13.20
  • 1Poet08:35
  • 2Because of Mouloud09:53
  • 3Waltz for You07:20
  • 4Researching Has No Limits05:51
  • 5Desert Flower06:32
  • 6Homogeneous Emotions06:55
  • 7Colourful Impressions07:13
  • 8Phrasen06:02
  • Total Runtime58:21

Info for Moscow

„Ich kann eigentlich mit jedem spielen, das war immer eine meiner Stärken. Und es hat mich auch immer gereizt”, sagt der Pianist Joachim Kühn, der am 15.3. 2014 seinen 70sten Geburtstag feiert. Tatsächlich gibt es wohl wenige Jazzmusiker seiner Generation, die den Bogen so weit gespannt haben wie der gebürtige Leipziger: Seit er 1966 seinem Bruder Rolf, dem Klarinettisten, in den Westen folgte, spielte er mit klassischen Musikern (unter anderem auch mit dem Leipziger Thomanerchor), mit Boppern, Fusion-Vertretern und vielen Free Jazzern und Avantgardisten – wie Archie Shepp oder Daniel Humair und Jean-Francois Jenny-Clark, die fast 15 Jahre lang sein Trio bildeten.

Kühn gehört zu der an einer Hand abzuzählenden Schar der Pianisten, mit dem Ornette Coleman kooperiert hat und er suchte früh den Kontakt zu marokkanischen, arabischen und westafrikanischen Roots-Musikern. Neben seinen Solo-Auftritten gibt es wohl keine Besetzung, mit der Kühn noch nicht gearbeitet hätte, vom intimen Duo oder seinem aktuellen Trio mit Majid Bekkas und Ramon Lopez bis zu Bigbands und Orchestern. Diese Offenheit ist wohl nicht zuletzt dafür verantwortlich, dass Kühn 2011 zusammen mit seinem Bruder den Echo Jazz für sein Lebenswerk und 2013 den für die beste Bigband-Produktion für das Album „Out of the Desert live at Jazzfest Berlin” bekommen hat.

Auf die Frage nach seinen Stärken hätte Kühn also auch antworten können: die Neugier. Denn diese ist bei Kühn bis heute nicht gestillt. Nach wie vor locken ihn die Herausforderungen, die sich aus neuen Begegnungen ergeben. Kein Wunder also, dass sich Kühn nachdem er die Einladung vom Goethe Institut erhielt, zwei Konzerte in Russland zu spielen, sofort über die dortige Szene kundig machte. Er fragte den Autor Marc Sarrazy, der zu dieser Zeit an einem Buch über den russischen Jazz arbeitete, um Rat. Ein Name wurde Kühn besonders empfohlen: Alexey Kruglov.

Der 1979 geborene Saxofonist Alexey Kruglov gilt als eines der größten russischen Jazztalente. Er lernte zunächst Klavier, bis er dank seines offensichtlichen Talents bei Arkady Shilkloper Unterricht bekam, dem revolutionären Hornisten, der als Sideman großer US-Stars, als Mitglied des Vienna Art Orchestras und als Ensemblemitglied des ACT-Albums „Blauklang“ auch hierzulande ein Begriff ist.

Schon bald begann Kruglov daraufhin mit eigenen Kompositionen und spielte mit dem Ganelin Trio, Moskaus bekanntester Free Jazz Band. Dem ungestümen, ungezügelten Jazz mit dem Saxofon als Hauptinstrument blieb Kruglov seit der Jahrtausendwende auch mit seinen eigenen Projekten wie der Krugly Band treu.

Kruglovs Musik beeindruckt einerseits durch Power, andererseits durch Filigranität. In seiner individuellen Mischung geht das Seelenvolle der russischen Volksmusik in der Exzentrik und Explosivität des Free Jazz auf sowie in der Wucht und Rebellion des Punk-Rock, alles umso stärker zusammengehalten durch das Band eines unterschwellig-feinen Humors.

Alles Elemente, die, vom russischen Akzent abgesehen, auch Kühn bestens vertraut sind, und die sich deshalb auch potenziert auf „Moscow“ finden. In den drei Kompositionen Kruglovs, dem von einer schlichten elegischen, absolut klassischen Melodie getragenen „Poet“, dem von Anfang an rhythmisch attackierenden, dann sehr frei ausschwärmenden „Waltz For You“ und dem songhaften, stark mit Pausen, Tonhöhen-Wechseln und Disharmonien arbeitenden „Colourful Impressions“, ebenso wie in den drei Gegenstücken von Kühn. Für den denkbar farbigsten Kontrast mit dem Saxofon hat sich Kühn unter anderem für bewährte Kompositionen entschieden. In „Because Of Mouloud…“ funktioniert das von allen Seiten und mit allen Mitteln unternommene De- und Rekonstruieren eines markanten Motivs auf unverwechselbar Kühnsche Weise. In diesen Zusammenhang stellt er hier auch das im Original eher Berber-bluesige „Desert Flower“. Über Leitakkorde in die freie, manchmal überblasene Improvisation geht es auf „Phrasen“, wobei sich das Saxofon hier über weite Strecken alleine austoben darf. Zwei Kompositionen von Ornette Coleman, „Researching Has No Limits“ und „Homogeneous Emotions“, runden „Moscow“ ab.

Das Zusammentreffen zweier Generationen ist keine einfache, nebenbei zu hörende Musik. Aber darin liegt ihr Reiz. Kühn wie Kruglov drehen dafür an zu vielen, sich aus dem Augenblick ergebenden musikalischen Stellschrauben. Man muss sich darauf ein-, sich auch mal über schroffe Passagen hinweg tragen lassen. Dafür bekommt man dann oft pure Energie, verströmt von zwei magisch ineinander verschmelzenden Stimmen. Eruptionen, bei denen der bald 70-jährige dem 34-Jährigen in nichts nachsteht.

Joachim Kühn, Klavier
Alexey Kruglov, Alto Saxophone

Mixed by Maxim Khaikin
Mastered by Klaus Scheuermann
Produced by Joachim Kühn and Alexey Kruglov


Joachim Kühn
Dave Brubeck in einem Interview der Zeitschrift Jazz Thing (Sept./Okt. 98) über Joachim Kühn: "Aber es gibt inzwischen eine Menge Typen, die noch wesentlich kompliziertere Sachen kompononiert, weitaus raffiniertere Läufe erfinden, als ich es jemals zu tun imstande bin. Ich denke da an einen deutschen Pianisten ... der erst vor kurzem mit Ornette Coleman ein Duoalbum aufgenommen hat. Joachim Kühn! Das ist einer, der verfügt über alle Fähigkeiten, die meinem Grundverständnis von modernem Piano entsprechen. Mich würde interessieren, wie er über mich denkt."

Mit seinem Spiel, das sich über alle Kategorien hinwegsetzt, profilierte er sich zu einem Musiker von Weltklasse. Im zeitgenössischen Jazz hat der Pianist Joachim Kühn bereits markante Spuren hinterlassen, und er hat neue Wege gewiesen. Als Komponist und Improvisator bezieht er sich auf europäische und amerikanische Quellen. Der musikalische Weltbürger Joachim Kühn weiß sich der Klangsprache der Gegenwart verpflichtet, aber auch der großen Tradition der Konzertmusik und der weitverzweigten Geschichte des Jazz verbunden. Joachim Kühn offenbart Vehemenz und Sensibilität, virtuose Technik und Phantasie, eine unverwechselbare Anschlagskultur und einen untrüglichen Sinn für Dynamik. Im Interplay mit langjährigen musikalischen Partnern, in immer neuen und oft auch ungewöhnlich herausfordernden Spielkonstellationen oder, ganz auf sich gestellt, in seinen Solokonzerten gelingt es Joachim Kühn, eine besondere Spannung zu schaffen und die Musik zum Ereignis zu gestalten.

Mag auch manche Station auf dem Weg von Leipzig, wo Joachim Kühn 1944 geboren wurde, über Lebensphasen in Frankreich und in Amerika wie ein Umweg erscheinen - die musikalische Laufbahn des Pianisten läßt nicht nur Zielstrebigkeit, sondern auch eine - oft erst später bewußt werdende - Folgerichtigkeit erkennen. Bereits in jungen Jahren als Konzertpianist hervortretend und klassisch bestens ausgebildet, begann sich Joachim Kühn unter dem Einfluß seines älteren Bruders, des Klarinettisten Rolf Kühn, für den Jazz zu begeistern. Bereits mit 17 Jahren entschoß sich der Pianist für den Beruf des Jazzmusikers. Mit seinem ersten, 1964 gegründeten Trio spielte er eine Musik, die mit ihrer Öffnung zur freien Improvisation der damaligen Zeit weit vorauseilte. 1966 kehrte Joachim Kühn nach der Teilnahme eines von Friedrich Gulda organisierten Wettbewerbs für junge Jazzmusiker nicht mehr in die DDR zurück. Noch im selben Jahr spielte er, gemeinsam mit Rolf Kühn, bei den Berliner Jazztagen und auf dem Newport Jazzfestival. Gleich nach dem Erfolg beim herausragenden amerikanischen Festival ergab sich eine weitere Chance: Mit Rolf Kühn und dem Coltrane-Bassisten Jimmy Garrison nahm der Pianist ein Album für das Label Impulse auf.

Von 1968 an wohnte Joachim Kühn in Paris, wo er mit stilistisch unterschiedlichen Musikern wie Gato Barbieri, Don Cherry, Michel Portal, Slide Hampton und Phil Woods zusammenarbeitete. Anfang der siebziger Jahre begann Joachim Kühn eine intensive Beshäftigung mit elektrischen Keyboards. Parallel zur Mitwirkung in Gruppen wie Jean-Luc Ponty Experience und Association P.C. hat Joachim Kühn aber immer auch akustisch gespielt, schon damals übrigens im Trio mit dem Bassisten Jean-Francois Jenny-Clark und dem Schlagzeuger Daniel Humair.

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre tauchte Joachim Kühn in die Fusion-Szene der amerikanischen Westküste ein, wo man ihn im Kreise von Musikern wie Alphonse Mouzon, Billy Cobham und Michael Brecker hörte. Aber auch ein Saxophonist wie Joe Henderson wollte für die Einspielung seines Albums "Black Narcissus" nicht auf Joachim Kühn verzichten. Über eine kurze Phase in New York kam der Pianist Anfang der achtziger Jahre nach Hamburg.

In dieser Zeit begann die Konzentration auf das akustische Piano. 1985, nun wieder bei Paris ansässig, reaktivierte Joachim Kühn das Trio mit Jean-Francois Jenny-Clark und Daniel Humair, das seither zu den musikalischen Konstanten zählt. In der Zusammenarbeit mit dem Studioelektronikspezialisten Walter Quintus am Soundboard entstand 1989 die Ballettmusik "Dark" für die Choreographin Carolyn Carlson, die CD "Get Up Early" (1991) und schließlich auch die Musik für das gleichnamige Tanzstück des Tanz-Forums Köln. 1997 komponierte und spielte Joachim Kühn die Musik für "Citizen Kane", ebenfalls ein Tanzstück von Joachim Ulrich für das Kölner Tanz-Forum.

Die Zahl der Alben, CDs und LPs, die Joachim Kühn unter eigenem Namen einspielte, beläuft sich mittlerweile über vierzig. Auf mehr als 150 Tonträgern ist er als Sideman zu hören, überwiegend in hochprominenter Umgebung. Als kleiner Auszug aus der langen Liste derer, mit denen Kühn aufnahm, seien nur einige wenige genannt: Stan Getz, Lee Konitz, Jackie McLean, Charlie Mariano, David Liebman, Niels-Henning Orsted-Pedersen, Albert Mangelsdorff, Chick Corea ... .

1991, im Jahr seines 30. Jubiläums als Profimusiker, kam es zu zwei gefeierten Großprojekten: eine Produktion des Trios Kühn / Humair / Jenny-Clark und der WDR Big Band sowie einer All-Star-Band, u.a. mit Rolf Kühn, Randy Brecker, Palle Mikkelborg, Albert Mangelsdorff, Joe Lovano und Christof Lauer. Im gleichen Jahr realisierte der Pianist einen Kompositionsauftrag für das Festival in Grenoble. Zu den zahlreichen Platteneinspielungen Joachim Kühns in den neunziger Jahren zählen "Thinking Jazz" mit der Vokal-Diwa Eartha Kitt sowie das Solo-Album "Famous Melodies", auf dem der Pianist auch mit der Neugestaltung im Jazz selten gehörter Titel überrascht. Für Verve / Polygram spielte er im Trio Kühn / Humair / Jenny-Clark das Album "Dreigroschenoper" mit eigenwilligen Ausdeutungen der Musik von Kurt Weill ein. Beide CDs, "Famous Melodies" und "Dreigroschenoper", wurden mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet.

Im Juni 1996 lud Ornette Coleman Joachim Kühn erstmals zu einem Duo-Konzert ein. Dem sensationell und begeistert aufgenommenen Auftritt zum Festival in Verona folgten weitere, u.a. zu den Leipziger Jazztagen, wo der Live-Mitschnitt für das Duo-Album bei Verve entstand. Neben dem indirekten, über Jimmy Garrison vermittelten Kontakt zu John Coltrane verbindet Joachim Kühn nun auch eine unmittelbare Zusammenarbeit mit einem der legendären amerikanischen Jazz-Innovatoren. Inzwischen ist Kühn auch festes Mitglied im Quintet von Ornette Coleman.

Nach dem international beachteten Zusammentreffen Joachim Kühns mit Ornette Coleman zu den Leipziger Jazztagen 1996 wendete sich der in Leipzig aufgewachsene Pianist nun jener Musik zu, die ihn bereits früh geprägt hat. Das Konzert mit Joachim Kühn und dem Thomanerchor, das speziell für die Leipziger Jazztage 1998 initiiert wurde und in der Nikolaikirche, einer der ehemaligen Wirkungsstätten Johann Sebastian Bachs, seine Uraufführung erlebt, thematisiert in einem auf die Gegenwart übertragenen Sinne ein in der Tradition verwurzeltes und doch auch zu innovativer Klangsprache drängendes Motto von Bach. Am 21.03.99 erfolgte eine Wiederauflage des erfolgreichen Jazztage Konzertes in Leipzig.

Was die Spielweise als Pianist, seine Klangsprache auf dem Klavier anbelangt, so gilt Joachim Kühn heute im Kreis der Kollegen wie auch für ein internationales Publikum als einer der großen Jazzmusiker unserer Zeit. (Bert Noglik)

Booklet for Moscow

© 2010-2024 HIGHRESAUDIO