Wer hätte es geahnt? „Musik ist eine Sprache der Dämmerung“, sagt Steve Tibbetts. „Die Aufgabe besteht darin, Schatten in Klang zu übersetzen.“ Genau das versucht er mit seinem jüngsten Album Close, das mit 20 Titeln ziemlich genau eine volle Stunde Unterhaltung bietet.
Interessant ist Close besonders mit Blick auf Klanggefüge und Stimmung. Tibbetts beschränkt sich auf eine elektrische und eine 12-saitige Akustikgitarre, dazu etwas Percussion und Klavier. Mark Anderson ist mit Percussion, Gongs, Handpan und Loops beschäftigt. Und JT Bates spielt Schlagzeug. Allerdings – wo sind die Becken? Und der in Musik so häufig dominante Diskant?
Im Gegensatz zum Mainstream ist Close äußerst erdig. Zugleich ist es sehr atmosphärisch. Klassische Songstrukturen fehlen, Gesang ist nicht vorhanden, die Rhythmik ist ein gleichwertiger Gesprächspartner der Saitenklänge und die Titel scheinen gefühlt ineinander überzugehen.
Ein gewisser Weise referiert die Musik damit auf das Album-Cover. Sie wirkt ganz ähnlich wie eine stimmungsvoll entspannte Betrachtung der Nacht, eines Sternenhimmels, einer verlassenen Fläche, die vom täglichen Leben pausiert und stattdessen die Stille atmet.
Interessant ist hierbei auch, dass praktisch alle Titel in mehrere Teile gegliedert sind: We Begin, Pt. 1, 2 +3 finden sich da, in gleicher Weise sind Away und Somewhere gestaltet, Everywhere dehnt sich – Nomen est omen – über 5 Teile aus und Remember hat zwei Teile, wird aber mit Remember and und Remenber and Wish komplettiert. Nur ein Titel findet sich als Solist: Das Schluss-Stück We End. Das ist konsequent.
Klanglich hält Close auch in anderer Weise beschäftigt. Während die Gitarren zentral agieren, sind die perkussiven Elemente wie Regentropfen über die Fläche verteilt, springen mal hier und mal dort aus dem Lautsprechern. Und die Becken – es gibt sie tatsächlich doch – flüstern besengestrichen ab und zu den ein oder anderen Hauch dazu. Das alles geschieht auf tiefer Bühne, mit Fläche, Volumen und Raum, was ein involvierendes Erlebnis gestaltet.
Eingebunden in diese entspannte Stimmung ist Close ein Album, das diesem Jahr einen ruhigen Abschluss gewährt. Sehr fein. (Thomas Semmler, HighResMac)
Steve Tibbetts, Gitarre, Perkussion, Klavier
Marc Anderson, Perkussion, Gongs, Handpan, Loops
JT Bates, Schlagzeug
