
Eines der Instrumente, das man am wenigsten in Jazz-Musik erwartet, ist die klassische Harfe. Doch genau mit ihr bereichert Brandee Younger das Genre, seit heute mit ihrem dritten Album Gadabout Season.
Die Musik von Younger verdient allemal den Begriff Fusion, denn sie integriert unterschiedlichste Stile zu einem Klangkörper. Die Einflüsse, die sich einfinden, reichen von klassischen und meditativen Passagen und -Stimmungen über. Der Unterbau ist ohne Frage jedoch jederzeit Jazz.
Generell fällt auf, dass Gadabout Season die harten, scharfen Klänge fehlen, die sonst von Gitarren und Gebläse in den Hörraum gepresst werden, obwohl auch auf diesem Album eine Bläser-Section mitwirkt. Fast scheint es, als lege die per se zarte Harfe als Lead-Instrument dem Ensemble einen Spiel-Knigge mit ins Notenheft, uns dessen Tenor lautet: Übertreibt’s nicht!
Charmant ist diese Klangwelt trotzdem. Vieles ist eher ruhig, und aufgeregtere Momente wie der Einstieg von Discernment sind trotz aller Aufregung entspannt. Bei End Means ist ein Mitspieler der Harfe die Querflöte – auch sie kein Vertreter akustisch ruppigen Auftretens.
An Humor fehlt es auch nicht. Wenn für 4 Minuten 34 tiefenentspannte Musik mit Besenspiel und Chorgesang aus verhallter Ferne ruhig in den Raum fließt, bekommt diese Ruhe einen ganz eigenen Spin, sobald der Titel des Stücks ins Auge fällt: Unswept Corners – ungefegte Ecken.
Wer nun aber glaubt, Gadabout Season sei ob seines Sanft-Muts ein Langschläfer-Album ohne Verve und Dynamik, der irrt. Die musikalischen Verflechtungen, die harmonischen Kunstgriffe, die Arrangements an sich bieten zahlreiche Momente, die aufhorchen lassen und Musik neu erleben lassen. Die Wildheit der Harfe in Breaking Point ist nur ein Beispiel von vielen, die illustrieren, wie vielfältig Musik sein kann, wenn nur genug Mut und Lust am Versuch mit in die Kompositionen einfließen.
Dazu ist Gadabout Season sehr überzeugend aufgenommen. Dazu gehört auch, dass die Bühne atmet – steht die Harfe bei Reflection Internal rechts der Mitte in einem eher kompakt gestaffelten Arrangement, wird die Bühne bei New Pinnacle breit, damit sich die Läufe von Brandee Youngers Fingern auf den Saiten über die Breite des ganzen Hörraums verteilen können. Auch solche Anpassungen tragen zum Genuss der Darbietung bei.
Was da zu sagen bleibt? Ein wirklich spannendes Album. (Thomas Semmler, HighResMac)
Brandee Younger, Harfe
Rashaan Carter, Bass
Allan Mednard, Schlagzeug
Shabaka, Flöte, Klarinette
Makaya McCraven, Percussion
Joel Ross, Vibraphon
Courtney Bryan, Klavier, Fender Rhodes
Ele Howell, Schlagzeug
Josh Johnson, Saxophon
Foto: Erin O'Brien