Piers Faccini
Biographie Piers Faccini
Piers Faccini
Über die Jahre ist Piers Faccini oft seiner Leidenschaft für den crosskulturellen Dialog an den Mittelmeerküsten von Südeuropa bis zum Nahen Osten und Nordafrika gefolgt und hat in seinen acht Studioalben mit Musikern wie Ballaké Sissoko, Ibrahim Maalouf oder Jasser Haj Youssef zusammengearbeitet, darunter auch sein Duoalbum Songs of Time Lost mit dem Cellisten Vincent Segal.
Faccinis Familie stammt aus dem Mittelmeerraum und so weist seine Musik Einflüsse aus Süditalien, dem arabischen Andalusien und sephardischen Rhythmen und Tönen auf. Mit seiner Faszination für den apulischen Tarantismus, einem der letzten Trance-Musik-Rituale in Europa, beginnt das Album und überquert das Mittelmeer wie in songartigen Booten, begleitet von zwei algerischen Musikermeistern ihrer Instrumente: den Brüdern Malik und Karim Ziad, um die Trance-Traditionen im Maghreb und den Berber- sowie Gnawa-Kulturen aufzusuchen und mit ihnen zu kommunizieren.
Ob die perkussionlastigeren Stücke wie „Foghorn Calling“, „Firefly“ oder „Levante“ oder die langsameren wie „The Longest Night“, bei dem die für Faccini gebaute Gitarren-Oud zum Einsatz kommt, alle Stücke sind live unter den Fittichen von Ko-Produzent und Toningenieur Fred Soulard in einem Farmhausstudio in Frankreich eingespielt worden und von Rhythmus nur so durchdrungen. Die Perkussion gibt die Zeit vor, schneidet durch die Stille hin zum Tanz, Bendirs und Tamburellos pulsieren, während der Klang von Metall auf Metall der Karkabous und das Händeklatschen die Songs geradezu zum Glühen zu bringen.
Die Songs sind wie eine mit Reue und Bedauern erfüllte, aber mit einer Hoffnungsnote versehene Laudatio, die in uns Emotionen erweckt und innere Monologe über unser Leben und unsere Gedanken auslöst. Wie haben wir die Stationen unseres Lebens aneinandergereiht, welche Entscheidungen, welche Taten bestimmen unseren Aufstieg oder Fall?
Die zyklischen, folkigen Call-and-Response-Formen in den Songs wenden sich an uns und stellen die Frage, was wir mit unserem restlichen Leben auf dieser Welt machen und was mit der Welt an sich. Das Thema kehrt zurück, ändert seine musikalische Form, die Fragen bleiben unbeantwortet, rhetorisch. Die Verse verankern uns im Rhythmus der Erde, die Überleitungen fallen und erheben sich, die Refrains werfen uns auf direktem Weg in emotionale Gefilde, entflechten und spinnen sich aus, bis Vers und Perkussion uns wieder erden.
Die Arrangements für das Streichquartett stammen vom spanischen Komponisten Luc Suarez, einem Weggefährten aus Faccinis 1990er, in London entstandener Band Charley Marlowe. Sie sind der griechische Chor des Albums, wenden, kehren wieder, rufen Faccini herbei, um seine Stimme und seine Geschichte durch gespenstische Register zu führen.
Flehend singt er und biegt dabei die Noten, inspiriert durch Tonsysteme wie Maqam oder auch andalusische Tonleitern mit ihren bewusst genutzten gebrochenen Mikrotönen, während die mit Schafsdarm gespannte Gimbri und bundlose Instrumente wie Oud oder Aouisha antworten. Hier stoßen die Magie und der Mythos auf die Wirklichkeit und Gegenwart und bieten den HörerInnen dabei einen Übergangsraum, in dem sie ihr Leben und ihre Lebensweise in die Musik einfügen können.
Mit „Erneuerung“ und „Behutsamkeit“ könnte man die Gefühlswelten in den Songs beschreiben, genau die Art von Liedern die ein sehr alter Mann mit riesengroßen Flügeln singen würde, um seine Stärke wiederzugewinnen, seine Federn zu richten, seinen Geist noch einmal zu sammeln, bevor er bereit ist, sich zurück in den taubenblauen Himmel zu erheben.