Christian Ferras, Pierre Barbizet, Stuttgart Radio Symphony Orchestra, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Biographie Christian Ferras, Pierre Barbizet, Stuttgart Radio Symphony Orchestra, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Christian Ferras
Die Aufnahmen des Geigers Christian Ferras zeigen eine merkwürdige Dualität des Stils: auf der einen Seite ein straffer, etwas rauer, blecherner Klang mit keifendem und aufdringlichem Vibrato (vor allem in einigen seiner späteren Werke); auf der anderen Seite ein wärmerer, altmodischerer, romantischer Ansatz mit auffälligen Portamenti und Tempo-Rubato. Bis zu einem gewissen Grad spielt die Chronologie eine Rolle - die Aufnahmen vor 1960 tendieren zum letzteren Stil, aber das ist nicht eindeutig. Es mag sein, dass Ferras bewusst begann, klassischen Werken einen modernistischen Stil aufzuzwingen, der den aktuellen Trends entsprach (was erklären würde, warum sein Sibelius-Konzert von 1964 stilistische Züge mit seinem Beethoven von 1951 gemeinsam hat); aber wie dem auch sei, eine detaillierte Untersuchung von Ferras' gesamter Diskografie würde faszinierende Einblicke in den stilistischen Wandel des etablierten Repertoires der Nachkriegszeit geben. Ferras' Kampf mit Depressionen, der tragischerweise zu seinem Selbstmord im Alter von neunundvierzig Jahren führte, könnte auch ein Faktor für seinen wechselhaften Interpretationsansatz sein.
Er erhielt seinen ersten Geigenunterricht bei seinem Vater, einem Schüler von Marcel Chailley, und feierte große Erfolge an den Konservatorien von Nizza und Paris. Nachdem er im Alter von dreizehn Jahren sein Studium mit einem Doppelpreisträger abgeschlossen hatte, sammelte Ferras Auftrittserfahrung mit dem Pasdeloup-Orchester. Außerdem wurde er während seiner frühen Karriere von George Enescu betreut. In den späten 1940er und frühen 1950er Jahren hatte er eine überwältigende Anzahl prominenter Auftritte, gewann internationale Preise und gab Uraufführungen, wobei er mit vielen illustren Musikern zusammenarbeitete, darunter der Pianist Pierre Barbizet, der einige Jahre lang sein berühmter Duopartner war.
Als Interpret, der (wie die meisten seiner Kollegen) nur wenige stilistische Zugeständnisse an die kompositorische Periode machte, nahm Ferras 1958 Bachs Doppelviolinkonzert mit Menuhin in einer klanglich schweren Form auf, mit wenig Aufmerksamkeit für die kleinteilige Phrasierung und einer gewissen Wellenbewegung des Tons in undeutlichen Passagen (dem so genannten "Menuhin-Bogen"). Ferras' Klang ist heller als Menuhins gedämpfte Töne, aber ansonsten sind die beiden Solisten ebenbürtig. Sein Beethoven-Konzert von 1951 wird ebenfalls romantisch vorgetragen, mit einer charakteristischen Wärme und Schwere und einer stark modifizierten Verwendung von Fingersätzen, die von Joachim zu stammen scheinen. Die Aufführungen von Bruchs Konzert Nr. 1 und Lalos Symphonie Espagnole aus dem Jahr 1959 weisen ein außerordentlich schnelles, intensives Vibrato auf, das heute seltsam klingt, aber beide haben Variabilität und damit Menschlichkeit in ihrer Wiedergabe, und das Bruch-Konzert wird durch einen gut verknüpften langsamen Satz und ein feuriges Finale mit perfekt präzisem, explosivem Double-Stopping zu Beginn lebendig. Die Berühmtheit dieser beiden Aufnahmen zeigt sich im Preis der gebrauchten Kopien auf LP, die heute für Hunderte von Pfund verkauft werden.
Obwohl Ferras' umfangreiche Diskografie vor allem die bahnbrechenden Werke der Romantik umfasst, wurde er vor allem durch seine zahlreichen Aufführungen von Bergs Violinkonzert bekannt, das er 1957 mit Ernest Ansermet aufnahm. Dies ist in vielerlei Hinsicht eine merkwürdige Lesart eines Werks, das oft mit stählerner Sicherheit und fast mechanistischer Intensität gespielt wird; hier betont Ferras ungewöhnlich die Phrasierung in kleinerem Maßstab, und obwohl der aufgenommene Klang eher dumpf ist, gibt es eine leicht zögerliche und verletzliche Qualität, die es zu einer emotional verlockenden Aussicht macht.
Ferras hat auch Aufnahmen aus dem Standardrepertoire für Duo-Sonaten gemacht, darunter eine etwas schroffe Beethoven-"Frühlingssonate" mit seinem vertrauten Partner Pierre Barbizet. Diese Aufnahme aus dem Jahr 1958 ist ein faszinierender Einblick in den Stil und den Geschmack der damaligen Zeit. Die Regelmäßigkeit der Akzentuierung und des Tempos sowie eine eher trockene und unmittelbare Aufnahmequalität sind sofort ersichtlich, aber das Werk übersteht die objektive Behandlung gut und Ferras' Disziplin ist bewundernswert.
Auch wenn sein Spiel teilweise gewöhnungsbedürftig und die Doppelseitigkeit seiner Interpretationen manchmal etwas verwirrend ist, so sind doch alle Aufführungen von Ferras von einer Direktheit und Aufrichtigkeit, die sie historisch wertvoll machen.
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
gestaltet Musikkultur, im Sendegebiet des SWR und auch unterwegs: Die Saison 2014/15 führte die Musiker u.a. zu den großen Festivals in Berlin, Luzern, Wien und Paris. An der Opéra Dijon spielten sie Alban Bergs Wozzeck, in Baden-Baden einen mehrteiligen Schwerpunkt mit Musik von Pierre Boulez zu dessen 90. Geburtstag. Unter der Überschrift "Beethoven plus" konfrontierte ein Freiburger Festival unter Leitung von François-Xavier Roth große Werke Beethovens mit sinfonischer Musik jüngerer und jüngster Zeit. François-Xavier Roth trat seinen Posten als Chefdirigent mit dem Abschlusskonzert der Donaueschinger Musiktage 2011 an. Seit ihrer Neu-Gründung im Jahr 1950 sind die Donaueschinger Musiktage und das SWR Sinfonieorchester untrennbar miteinander verbunden. Über 400 Kompositionen wurden dort durch das Orchester uraufgeführt, und das Orchester schrieb Musikgeschichte: mit Musik von Hans Werner Henze oder Bernd Alois Zimmermann, von Karlheinz Stockhausen oder Olivier Messiaen, Helmut Lachenmann oder Wolfgang Rihm. Seit seiner Gründung 1946 ist das SWR Sinfonieorchester Anziehungspunkt für internationale Dirigenten und Solisten und auch musikalischer Botschafter im In- und Ausland. Über 600 Werke aus drei Jahrhunderten hat das SWR Sinfonieorchester auf Tonträgern eingespielt. Motoren dieser vielfältigen Aktivitäten waren und sind die profilierten Chefdirigenten von Hans Rosbaud über Ernest Bour bis zu Michael Gielen, Sylvain Cambreling und Franҫois-Xavier Roth. Durch sieben Jahrzehnte besonderer Herausforderungen wuchs das Orchester bis heute.