Ganz normale Songs Tom Liwa

Album info

Album-Release:
2018

HRA-Release:
12.04.2018

Album including Album cover

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FLAC 88.2 $ 13.20
  • 1Schuld04:28
  • 2Meistens03:05
  • 3Ego04:47
  • 4Dope03:49
  • 5Witz04:18
  • 6Leute07:19
  • 7Yoga06:08
  • 8Feuer03:16
  • 9OK03:48
  • 10Unisex04:20
  • 11Ufo03:09
  • Total Runtime48:27

Info for Ganz normale Songs

Liwa heißt ein Dorf im Oman, im Osten der arabischen Halbinsel, am Persischen Golf. In dem ganzjährig trockenen Klima brennt im Sommer die Sonne zu heiß, um sich länger draußen aufzuhalten. Wegen der hohen Verdunstungsrate nutzen die Einwohner deshalb schon seit einigen Tausend Jahren Qanate. So heißen die Brunnen und von ihnen ausgehende Kanäle und Schächte, welche unterirdisch Süßwasser in alle Richtungen führen. Das Bewässerungssystem ermöglicht den Anbau von Unmengen von Datteln, dazu von Zitrusfrüchten, Bananen, Mangos und Tomaten.

Auch der Maler, Schriftsteller, Sänger und Gitarrist Tom Liwa lässt sich als Brunnen mit angeschlossenen Kanälen und Schächten beschreiben, die seit den späten siebziger Jahren seine Bilder, Texte und Musik an ungezählte Orte und Plätze fließen lassen.

Tom Liwa ist 56 Jahre alt und aus Deutschland. Er experimentiert mit unterschiedlichster Musik. Hauptsächlich ist er aber für seine psycho- und autobiographischen Lieder bekannt, die er mal mit kristallklarer und mal mit mit fast gebrochener Stimme singt und auf bisher 25 Alben veröffentlicht hat. Sie alle zeigen sowohl Tom Liwas Interesse für Kosmologie und Banales als auch seine Gabe, beides sehr unterhaltsam zu verbinden.

Tom Liwa hat unter anderem mit dem Tim Isfort Orchester, dem Paradies der Ungeliebten und nicht zuletzt mit den Flowerpornoes zusammengearbeitet , aber in jeder seiner Bands steckte und steckt noch eine weitere Band. Denn selbst wenn sich Tom Liwa ohne personelle Verstärkung und vermeintlich allein auf den Weg zu Auftritten oder Recording Sessions macht, sind immer zwei unterwegs: Tom Liwa und das Wort, das ihm auf der Zunge liegt. Tom Liwa und die Melodie, die er im Gefühl hat. Wohin die Reise auch geht, sein Ziel erreicht Tom Liwa Stadt für Stadt und Studio für Studio in Gesellschaft neuer Lieder.

Nun präsentiert Tom Liwa die lebenserfahrungsgesättigsten, intimsten Dramödien und Beziehungsballaden, die er je seinem Publikum zum Hören überlassen hat. Das Album, das sie enthält, trägt den weisen und neckisch untertreibenden Titel „Ganz normale Songs“. Tatsächlich handelt es sich dabei um Tom Liwas wundervoll zarte Umarmung der Zeit von seiner Geburt bis heute, sowohl des Lebens, wie er es geführt hat als auch des Lebens, wie es ihn geführt hat.

Jeder auf einer Gitarrensaite gepickte Ton, jeder angeschlagene Akkord und ebenso Tom Liwas einnehmender, prinzipiell freundlicher Gesang klingen hier nach Herzwärme in sozialen Adern. „Ganz normale Songs“ beweist, wie sich ein Künstler mit Musik um viele andere kümmern kann, seien es Lebensmenschen, seien es Zufallsbekanntschaften oder Überfiguren, wie sie in der Erinnerung an „die Güte der Mutter“ oder die Geduld des Vaters“ aufsteigen.

Beide besingt Tom Liwa in „Schuld“, in welchem er von den dramatischen Ereignissen seiner Kindheit berichtet. Damals hat er „dem Monster mein Herz geschenkt“, und seitdem ist er „befallen von allen gängigen Symptomen“. Vater und Mutter besorgten zwar „dreihundert Ampullen“, die „das Serum“ und für sie damit die Hoffnung auf eine Erholung ihres Sohns enthielten. Aber wir können heute glücklicherweise davon ausgehen, dass die Ampullen mittlerweile leer, doch die Symptome immer noch da sind. Denn andernfalls gäbe es weder „Ganz normale Songs“ noch sämtliche vorangegangenen Platten. Und erst recht nicht diese zuversichtlichen akustischen Gitarren, diese stimmungsvolle Orgel und diese Rim Shots, welche so lässig darum bitten, nach dem so schön vollgepackten, ersten Lied des Albums bitte gleich weiterzuerzählen.

Das geschieht auch prompt in „Meistens“, wo Tom Liwa die Spannung steigert wie bei einem Showdown im Wilden Westen. Tom Liwa steht dort „manche(n) Leute(n)“ gegenüber. Nach einem Trompetensignal feuern sie statt Pistolen ihre Meinungen, noch mehr Bedenken und jede Menge Vorurteile ab: „Erst bist du der dumme Junge / Dann hässlich und alt.“ Tom Liwa lässt seine Antwort darauf mit einer von Kautabak verkratzten Stimme aus dem Rachen wehen wie der Revolverheld den Rauch aus seiner Zigarette im Mundwinkel: „Aber meistens war`s geil.“

Weil Tom Liwa das Duell überstanden hat, reiten ein paar E-Gitarren in „Ego“ selbstbewusst rockig durch ein Abenteuer der Selbsterkenntnis: „Lass die Geister sich an deiner Schönheit scheiden.“ Welchen musikalischen Reichtum „Ganz normale Songs“ beinhalten, zeigt spätestens der die Luft zum Flimmern bringende Easy Listening-Hit „ Dope“. Tom Liwa bekommt davon so prächtig gute Laune, dass er überlegt, sich mit seiner eigenen Endlichkeit anzulegen: „Ich will nicht sterben und nicht erwachsen werden.“

„Witz“ zeigt Tom Liwa als hochpolitischen Kopf, der beim Blick auf die Gesellschaft mit Bestürzung feststellt, was die Verhältnisse aus Menschen machen können. Denn manche sind so stabil und abweisend wie ein Bollwerk geworden, im Gesicht „grauer“ als der Putz „von der Mauer“. Am liebsten legen sie es darauf an, sofort deine Schwachstelle zu entdecken: „Das Erste, was sie merken, / ist das, was du versteckst:“ Und wie geht Tom Liwa damit um? Nun, etwa mit dieser Zeile: „Du machst einen Witz, obwohl dir eigentlich überhaupt nicht danach ist.“ Das heißt: Tom Liwa ist nach überhaupt nichts Anderem, als Lieder so voller Mitgefühl wie dieses zu machen. Dieses Mitgefühl schließt in dem ergreifenden „Leute“ auch Freundinnen und Freunde ein, die Tom Liwa schon mehrere Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat. Nach all den Jahren, nach einer beeindruckenden Anzahl von Releases und nach unzähligen Touren, während eine Mundharmonika zum Horizont hochschießt und elegante Licks zu einem entspannten Trip Hop-Groove von einer Fender Stratocaster-Gitarre blättern, erinnert sich Tom Liwa an „meine Leute von der anderen Seite des Himmels“.

Der Weg, den er seit ihren letzten Treffen zurückgelegt hat, entspricht der Strecke des „acht Minuten alten Licht(s)“, das von der Sonne gestartet ist und nun die Erde erreicht. Die Vergangenheit ist eines der Effektgeräte, die auf „Ganz normale Songs“ zum Einsatz kommen.

In „Yoga“ wandert eine Bassdrum im Garten des höchsten Bewusstseins. Um den Garten herum ragen Berge auf, die wie Basssynthesizer brummen. Durch die Luft fliegen Vögel, die Feedbacks zwitschern, und Tom Liwa zieht dazu als Ureinwohner seiner Songs die Silben lang. Das Morgenmantra des Wassermannzeitalters, „sat nam siri wahe guru“, verwandelt er mit Slide-Gitarre und Geige in Irish Folk vom Planeten Saturn.

Doch auch die einladenste Landschaft kann Tom Liwa nicht festhalten, denn „das Feuer brennt die ganze Zeit“. Tom Liwa will immer weiter gehen, weil die Zeit es auch tut und sich in beschwingten Mitsinghymnen wie „Feuer“ wunderbar selbst durcheinanderwürfelt: „Erst war ich ein alter Mann, und dann wieder ein Kind“.

Dieses Kind ruht sich in „OK“ mit Barjazz im Chilloutroom aus. Offene Gitarrenstimmungen wirbeln vom Boden spielerisch Staub hoch, welcher sich im Licht kräuselt. Tom Liwa genießt das Naturschauspiel: „Und es ist okay“. Und außerdem ist es die Ruhe vor dem Freudentaumel. Denn in „Unisex“ entscheidet Tom Liwa, dass er von dem „Serum“ aus den „Ampullen“ vom Beginn der Platte genug hat, da er „diese Medizin nicht mag“. Stattdessen erlebt er seine persönliche Befreiung mit einem aufgekratzten Banjo und einer E-Gitarre, die in ein Jubelsolo ausbricht. Mit ihrer Unterstützung lässt sich Tom Liwa zum Schluss von „Ganz normale Songs“ auf ein musikalisches Beziehungsgespräch mit seinem Schicksal ein.

Die Unterhaltung findet in einem Vaudevilletheater in der Zinkpfannenallee statt. In dem Stück „Ufo“, das dort gegeben wird, treffen sich zwei frühere Freunde „nach zehn Jahren“ wieder. Damals haben sie zusammen magische Nächte erlebt, tolle Partys gefeiert, sich einmal gleichzeitig in dieselbe Frau verliebt und manche Sonnenaufgänge gesehen. Nach langer Kontaktstille laufen sie sich jetzt zufällig „in der Notapotheke von der Shopping Mall“ über den Weg. Der einer trägt seinen Beruf am Leib, er steckt in einem repräsentativen Anzug oder einem komischen Kostüm und sieht damit aus wie „eine drei Meter große Katze im Kimono“. Der andere hat Anziehsachen übergeworfen, als wäre er nicht von diesem Planeten. Offenbar haben sie privat und beruflich nicht mehr viel gemeinsam. Doch bei beiden stimmt die Auftragslage, und da Klappern zum Handwerk gehört, will keiner aus der Rolle fallen: „Ich sag: `Starker Auftritt, Katze! / Du so: `Ebenso, Ufo!`“ Sie tauschen Mobil-Nummern aus, die sie nie anrufen werden, und verabschieden sich bald. So kurz ihre Begegnung auch verlaufen ist, für Tom Liwa genügt sie doch völlig, um sein Selbstbewusstsein darauf aufzubauen: „Die Zeit der Freaks ist vorbei... / Und ich bin ein Ufo.“

Tom Liwas Zeit nimmt mit „Ganz normale Songs“ einen neuen Anlauf. Diese mit erkennbarer Leichtigkeit und großer Könnerschaft geschriebenen, mit ab und zu im Studio hereinschauenden Freundinnen und Freunden (Omar Gudjonsson von ADHD, Pola Lia Schulten von Zucker, Theresa Stroetges von Golden Disko Ship, mehrere Mitglieder der Flowerpornoes) eingespielten und nicht zuletzt mit dem so sorgfältigen wie behutsamen Produzenten Tobias Levin fertiggestellten Lieder werden uns länger begleiten. Denn „Ganz normale Songs“ ist eine Platte des Jahres im Zeichen des Tom Liwa. Wie das bei Meilensteinen halt ganz normal ist. - Kristof Schreuf

Tom Liwa, Gesang, Gitarre



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