Alles was glänzt Liebe Frau Gesangsverein
Album info
Album-Release:
2019
HRA-Release:
25.10.2019
Album including Album cover
- 1 Venus - Die Frau in der Musik 03:27
- 2 Mark - Sowieso 03:04
- 3 Thom - Roboterliebe 03:32
- 4 Lisa - Meine einzige Hoffnung 05:43
- 5 Rosa - Wir sind das Publikum 03:25
- 6 Alex - Leicht gemacht 03:48
- 7 Chris - Sei so frei 05:27
- 8 Manni - Dieses und das zweite Zimmer 04:27
- 9 Hardy - Sachlicher Eintrag in dein Poesiealbum 02:42
- 10 Viola - Etwas glänzt 03:51
Info for Alles was glänzt
Knapp zwei Jahre nach ihrem starken Debüt „nackt“, warten Liebe I Frau I Gesangsverein mit ihrem zweiten Album auf. Ohne sich zu wiederholen, knüpfen sie an das an, was bereits beim ersten Mal gelungen war: Energischer Gitarrensound mit durchaus lyrischen, aber schnörkellosen deutschen Texten. Sie zeigen sich aber diesmal noch experimentierfreudiger: Von spoken words auf sanften Klängen bis zu brachialen Punkrocksongs mit dem markanten treibenden Schlagzeug, haben sie so manches zu bieten. Hie und da fast episch anmutende Stücke, die kein easy listening ermöglichen, sondern echte Auseinandersetzung mit dem von Kurt Ebelhäuser produzierten Album erfordern.
Und das passt zum Gesamtkonzept! Denn der Goldklumpen mit den eingelassenen Haaren und Nägeln auf dem Cover von „Alles was glänzt“ ist wie ein Memento mori oder ein Mahnmal der Oberflächlichkeit. In den Titeln, die alle jeweils einen Vornamen tragen, geht es mal wieder um die Sehnsucht nach dem Wahrhaftigen, diesmal aber nicht nur auf der zwischenmenschlichen, sondern auch auf der globalpolitischen Bedeutungsebene: Im Song „Mark“ wird zum Beispiel der aberwitzige.
Optimismus eines Mark Forsters („Alles wird gut sowieso“) ad absurdum geführt und auch musikalisch eine nahezu apokalyptische Stimmung erzeugt. Ricarda Giefer besingt unsere schizophrene Welt, in der wir jedem gesunden Menschenverstand und allen Fakten zum Trotz wie Hans im Glück „nach den Dächern, Wolken, Schwalben“ schauen und uns munter pfeifend dem Abgrund nähern. Politisches und soziales Engagement findet zwar durchaus unsere Anerkennung: „Ihr seid klasse, weiter so!“, aber mit einem „Ich könnte das nicht“ ziehen wir uns aus der Affäre und umgeben uns lieber mit „etwas, das glänzt“. Das Songwriting changiert entsprechend zwischen dramatischer Schwere und poppiger Leichtigkeit.
Ohne den moralischen Zeigefinger zu heben, macht Ricarda Giefer in ihren Texten auf die durchaus menschliche, aber gefährliche Neigung aufmerksam, sich von „leuchtenden Augen“ und glänzenden Oberflächen blenden zu lassen und dabei zu übersehen, dass diese nur Projektionen zulassen, aber kein echtes Fortbringen ermöglichen. Wir lenken uns so gern mit den schönen Dingen des Lebens ab und gefährden dabei unser eigenes Überleben. Und weil Brecht diese Umstände so gut und zeitlos zusammengefasst hat, wird er im Song „Lisa“ zitiert: „Die Widersprüche sind meine einzige Hoffnung“.
Liebe | Frau | Gesangsverein
Liebe | Frau | Gesangsverein
Wer die Band (noch) nicht kennt: „Liebe Frau Gesangsverein“ macht punkige Mucke, die – für die Oldies unter uns – ein wenig an Neue deutsche Welle, Ina Humpe oder Nina Hagen erinnert: schmissig, laut, deutsch, dabei hinter vermeintlich aggressiven Tönen Texte von großer Verletzlichkeit, wenn nicht Verletztheit offenbart. Es geht um Fremdheit, Albträume, Abschied, Trennung und die solchen Situationen immanente Widersprüchlichkeit der Gefühle, in wunderschönen Bildern wie den in idyllischen Grachten in der Wasserpest dümpelnden Enten ausgedrückt. Erinnerungen, deren „glimpfliche Momente“ „eingeklebt und teils gerahmt“ wurden. Aber „selbst die Nägel lassen die Köpfe hängen“. Weil Freiheit nur „gemeinsam zu ertragen“ ist und die einzige Konstante bei der Suche nach dem Selbst das Pendeln zwischen Abgrenzung und Verallgemeinerung sein kann: „Unterwegs … waren wir ganz man selbst, denn die anderen, die gab‘s ja schon.“
This album contains no booklet.