Roedelius & Tim Story
Biography Roedelius & Tim Story
Hans-Joachim Roedelius
ist Pionier auf dem Gebiet der Erforschung und musikalischen Verwertung elektrisch generierter und manipulierter Geräusche, Töne und Klänge. Er gehört zu den Vätern der zeitgenössischen, populären, elektronischen Instrumentalmusik. Roedelius selbst bezeichnet seine Tonschöpfungen als klingende Literatur, als Philosophie der Hörsphären, als Klangkino oder Horchtheater.
1934 in Berlin geboren, ertrug Hans-Joachim Roedelius die doppelten Prüfungen einer zwar wunderbaren Kindheit, in der er die ersten Schritte in ein kreatives Leben als Model und Schauspieler in sechs UFA Filmen noch vor seinem zehnten Lebensjahr machte, aber andererseits auch einer erzwungenen Mitgliedschaft in der Hitlerjugend während des Krieges („Hitler wurde verrückt. Er wollte uns alle in der Hitlerjugend zu Kindersoldaten machen, damit wir losmarschieren und gegen die Russen kämpfen!“). 1943 flüchtete er mit seiner Mutter aus der unter den ständigen Bombardements leidenden und bereits weitläufig zerstörten Stadt. Eine Odyssee kreuz und quer durch Deutschland bis zum Kriegsende, mit längeren Aufenthalten im damaligen Ostpreußen und Sudetengau, folgte. Ein anderes Leben unter dem Einfluss des Kommunismus, mit einem Intermezzo als Bergknappe in einer Kohlegrube, der Zwangsrekrutierung in die „Nationale Volksarmee“, unter Einfluss der Stasi, die das sich damals bildende Ost-Deutschland kontrollierte, erwartete ihn am Ende dieser Odyssee in Ost-Berlin. Roedelius entfloh diesem Regime, verkaufte falschen Schmuck und lebte mit anderen Flüchtlingen in einem Single-Appartement. Als er 1952 versuchte, die Grenze zu passieren, um seine Familie zu besuchen, wurde er verhört und verbüßte eine über zweijährige Gefangenschaft in der DDR.
Einige Zeit nach der Entlassung, der Umsiedlung in den Westteil Berlins vor dem Mauerbau, einer Ausbildung zum Krankenpfleger und Heilgymnasten, verschlug es Roedelius in einen kreativen Außenbezirk einer anderen, neuen Gesellschaft, in der er nun untertauchte. Endlich, in den 60ern, nach seinen Hippie-Expeditionen (eine Zeitlang war er Masseur der Gattin des damaligen Präsidenten der französischen Republik: „Bei ihr ging ich barfuss, das gehörte neben langen Haaren und einem Schafspelz zu meinem Outfit als Hippie-Heiler, im Elyseepalast ein und aus.“), nach einigen Versuchen in Richtung Jazz, der Gründung der Musikkommune „Human Being“, als Zentrum der Underground-Kultur Berlins „Zodiak“ und Gast der Politkommune K2, begann Roedelius seine Karriere als professioneller Komponist. Er experimentierte mit einem Sound, den er als ‚anarchistisch musikalischen Aktionismus“ beschreibt. Das politische und soziale Klima der sich wieder erhebenden Nation aufnehmend, wurde Roedelius oft als einer der musikalischen Übermeister gewürdigt, deren Musikstil später liebevoll als Krautrock bezeichnet wurde.
In Berlin wurde er Schüler von Konrad Schnitzler, einer der ersten Schüler Josef Beuys. Mit Schnitzler und Dieter Möbius gründete Roedelius 1969 Kluster, die sich als Pendant im Bereich Musik der „Freien Hochschule für Bildende Kunst“ von Beuys‘ verstand. Ihr gleichnamiges Debüt „Kluster“ sollte die Grundsteine für elektronische Musik legen. Ihre weiteren Arbeiten beeinflussten ganze Generationen von Musikern und Komponisten zeitgenössischer elektronischer Musik. Mit Kluster zog Roedelius auf eine Reise quer durch Europa, die erst 1973 endete. Aus dem Trio wurde ein Duo, aus Kluster wurde Cluster, wobei es nicht nur die Schreibweise des Bandnamens war, die sich änderte. Es gelang Roedelius musikalische Größen wie Michael Rother (NEU!) und Brian Eno ins Studio zu holen, um die entstandene Lücke zu füllen. Solch eindrucksvolle Kollaborationen ziehen sich wie ein roter Faden durch Roedelius‘ Geschichte: die Gründung von Harmonia mit Möbius, Holger Czukay (Can), Konrad Plank (Krautrock-Produzent), Asmus Tietchens, Werner Dafeldecker, Mani Neumaier, Gilbert Bretterbauer; auch die Zusammenarbeit mit Komponisten zeitgenössischer moderner Musik wie Fabio Capanni, Jurij Novoselic, Hiroshi Kobayashi und Andres Gil beweist dies eindrucksvoll.
Des Audiodidakten Roedelius‘ umfangreiche Werkliste von über 1000 Werken ist in allem durchwoben mit persönlicher Erfahrung: „Ich bin ein „improvisatorisch konstruierender“ Romantiker, arbeite aus der Mitte meiner Lebenspraxis heraus, als ein direkt an den Verwandlungen, Umwandlungen im Gefolge des Aufbruchs zu neuen Ufern der 68ziger Jahre Beteiligter, als Mitbegründer der Kommunebewegung im Berlin dieser Zeit, als unmittelbar Betroffener von und Mitgestalter innerhalb dieses für das Nachkriegsdeutschland bzw. Europa und die gesamte Welt so wichtigen kulturellen Umbruchs, in der Überzeugung, dass meine künstlerische Arbeit ohne bewusste religiöse Bindung sinnlos wäre. Ich war Bergknappe in einer Kohlengrube, Schäfer, Toilettenreiniger, Dachdecker, war Krankenpfleger und habe Sterbende betreut, Schmuckverkäufer, Masseur . meine Universität war das Leben selbst“, sagt er.